Wien, am 6. Jänner 2018.
Sehr geehrte Damen und Herren Nationalratsabgeordnete!
Ich wende mich heute an Sie als politisch interessierter und engagierter Staatsbürger (somit als Teil des Souveräns Staatsvolk, den Sie vertreten, mit folgenden Anliegen:
1. Bitte etablieren Sie eine „Integrierte Finanzkontrolle“, wie sie aus der österreichischen Verfassungsordnung zwingend abzuleiten ist. Ich habe die „Integrierte Finanzkontrolle“ in meiner Bewerbung für das Amt des Präsidenten des Rechnungshofes, die dem vorangegangenen Nationalrat seit Mitte Juli des Jahres 2015 bereits vorgelegen hatte, erklärt und beschrieben.
2. Bitte heben Sie den § 92 Absatz 9 des Bankwesengesetzes sofort und ersatzlos auf!
3. Bitte heben Sie den § 2 Absatz 2 des Pfandbriefstelle-Gesetzes sofort und ersatzlos auf und beauftragen Sie Schadensbeseitigungsmaßnahmen in jenen Bundesländern, in denen sich die Schadensneigung dieser Bestimmung an öffentlichem Eigentum bereits realisiert hat!
4. Bitte stellen Sie unmissverständlich klar, dass es gegen den glasklaren Wortlaut eines einwandfreien und vorbildlichen Salzburger Landesgesetzes und gegen ebenso glasklares europäisches Wettbewerbsrecht keine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung geben kann!
Diese Appelle haben in folgenden Umständen ihre Begründung:
ad 1.: Die „Integrierte Finanzkontrolle“, wie ich sie in meiner seinerzeitigen Bewerbung beschrieben habe, würde bedeuten:
a. die automatische Einbeziehung von Gemeindeaufsichten in das Prüfungs-, Empfehlungs- und Beratungsgeschehen in Fällen, bei denen Gebarungsmängel einer Gemeinde auch schon der Gemeindeaufsicht hätten auffallen müssen;
b. die automatische Einbeziehung des Finanzministers in das Prüfungs-, Empfehlungs- und Beratungsgeschehen in Fällen, in denen Unzulänglichkeiten der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) für Gebarungsmängel von Ländern oder Gemeinden verantwortlich sind;
c. die automatische Einbeziehung des Finanzministers in das Prüfungs-, Empfehlungs- und Beratungsgeschehen in Fällen, in denen bankenrechtliche Bestimmungen bei sachgerechter Betrachtung den Verdacht nahelegen, dass sie wegen Europarechts- und Verfassungswidrigkeit ersatzlos aufzuheben sind.
Meine Ausführungen zur vollständigen Nutzbarmachung der Finanz-Verfassung 1948 haben dabei folgende Unterstützung erfahren: Doralt, Funk und Mayer zu § 16 Abs 1 Finanz-Verfassungsgesetz 194.
ad 2.: Der § 92 Absatz 9 des Bankwesengesetzes ist europarechtswidrig und verfassungswidrig. Ich bitte dazu um Beachtung der Expertisen der folgenden hervorragenden Kollegen: Eilmansberger, Harrer und Jäger zu § 92 Absatz 9 Bankwesengesetz.
Wollen Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, riskieren, dass – völlig unnötig, völlig rechtswidrig und völlig gegen die vitalen Vermögensinteressen der öffentlichen Haushalte – die AVZ-Privatstiftung in Wien und wer weiß was noch, völlig sinnlos dem Haftungszugriff von Bankengläubigern ausgesetzt werden? Was ist an dem Wort „ersatzlos“ in der Monti-Grasser-Vereinbarung von 2003 eigentlich so schwer zu verstehen?
ad 3.: Mit dem § 2 Absatz 2 des Pfandbriefstelle-Gesetzes hat der Nationalrat im Jahr 2004 – im Jahr nach der Monti-Grasser-Vereinbarung 2003 – den wesentlichen Inhalt eines Nazi-Erlasses affirmiert, der leider schon viel früher völlig unnötigerweise und gegen Baugesetze unserer Verfassungsordnung und elementarste allgemeine Rechtsgrundsätze in Bundesrecht übergeleitet wurde. Diese Prinzipien sind:
a. das bundesstaatliche Prinzip – die Solidarhaftung für die Hypos auch aller anderen Bundesländer wurde den Ländern in einer Zeit aufgezwungen, als sie sich nicht dagegen wehren konnten, weil es keinen Bundesstaat gab, sondern einen maximal zentralistische Despotie;
b. das rechtsstaatliche Prinzip – diese ungerechte Haftung wurde den österreichischen Bundesländern von einem hochverräterischen und kriegsverbrecherischen Regime per Erlass aufgezwungen, ohne jede Verhinderungs- oder Klagsmechanismen für die Länder gegen die Zentralgewalt;
c. das Recht auf Eigentum der Bundesländer – diese Haftung bedeutet nichts anderes als eine Zwangsenteignung der Bundesländer, die auf einmal nicht nur für die eigene Hypo, sondern auch für die Hypos anderer Bundesländer haften sollen;
d. das Prinzip „No bail out“ – diese Haftung bedeutet weiters auch eine Umgehung des Grundsatzes des „No bail out“, wie er der österreichischen Verfassungsordung von 1920 bis 1938 und von 1945 bis heute zu Grunde liegt;
e. der allgemeine Rechtsgrundsatz des „contrarius actus“ – derjenige, der rechtmäßig ein Rechtsinstitut erfindet, soll es auch allein wieder aus der Welt schaffen können und dürfen – die Hypohaftungen waren Erfindungen der Länder, es steht daher auch nur ihnen zu, sie abzuschaffen oder wesentlich zu ändern, nicht dem Bund und schon gar nicht einem despotisch regierten Nazireich: Reichsstatthalter-Erlass vor Salzburger Landes-Holding-Gesetz.
ad 4.: Der Rechnungshof hält es in der TZ 187 seines Berichtes über die Konsolidierungsmaßnahmen des Landes Salzburg aus dem Jahr 2014 für möglich, dass der Salzburger Landeshaushalt gefährdet sein könnte, weil die Land Salzburg Beteiligungen GmbH für ihre Haftungen nach § 92 Absatz 9 Bankwesengesetz als Rechtsnachfolgerin der Salzburger Landesholding zweifellos unterkapitalisiert ist. Eine solche Haftung ist in Salzburg allein schon wegen § 15 des Salzburger Landesholding-Gesetzes denkunmöglich. Wenn man den Gedanken einer Landeshaftung wegen Unterkapitalisierung auf andere Bundesländer überträgt, bedeutet das, dass möglicherweise das Land Kärnten ein zweites Mal über seine Landesholding für alle HETA-Schulden gehaftet hätte (wäre diese nicht – auch in Erfüllung meines vielmaligen intensiven Drängens – Mitte 2016 ohnehin sehr riskant spät aufgelöst worden), und das Land Wien für alle Schulden der UniCredit Bank Austria. An beiden Rechtsträgern sind die genannten Bundesländer zwar nicht im eigentlichen Sinne beteiligt, aber die beiden Bundesländer haben die Organisationsgewalt hinsichtlich dieser Rechtsträger, Kärnten für die Landesholding, Wien für die AVZ-Privatstiftung. Die Bejahung einer Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung auch in diesen Fällen wäre einerseits frontal europarechtswidrig und andererseits würde sie das Schadenspotenzial für die öffentliche Hand maximieren.
Diese latenten und leider auch schon manifest gewordenen Bedrohungen für öffentliches Eigentum wurden bisher weder von den vormaligen Bundesregierungen noch – mit teilweiser Ausnahme Salzburgs – von den zuständigen Landesregierungen erkannt.
Außerdem haben weder die Griss-Kommission noch der Hypo-Untersuchungsausschuss die Dysfunktionen der öffentlichen Finanzkontrolle – weil sie eben nicht als „Integrierte Finanzkontrolle“ gedacht und gelebt wird – und eben diese aufrechten Gefahrenpotenziale und vermeidbar gewesenen weiteren Schadensereignisse herausgearbeitet. Beide haben bisher ebensowenig wie die beteiligten und verantwortlichen Regierungen und Parlamente samt Finanzministern und Rechnungshofpräsidenten die Europarechtswidrigkeit des § 92 Absatz 9 Bankwesengesetz, die Verfassungsbaugesetzwidrigkeit des § 2 Absatz 2 Pfandbriefstelle-Gesetz und die Denkunmöglichkeit einer Durchgriffshaftung gegen glasklaren landesgesetzlichen Haftungsausschluss und europäisches Wettbewerbsrecht realisiert, im Gegenteil, die genannten Institutionen haben diese höchst problematischen Normen teilweise sogar ausdrücklich bestätigt.
Und schließlich hat es keiner/keine der weiteren Bewerberinnen und Bewerber für das Amt des Rechnungshofpräsidenten/der Rechnungshofpräsidentin für nötig befunden, auf diese unsinnigen, rechtswidrigen und vermeidbaren Schadens- und Bedrohungspotenziale hinzuweisen, die immerhin noch die Zutaten für den haftungsrechtlichen Supergau enthalten, der selbst das Hypo-Alpe-Adria-Debakel noch deutlich in den Schatten stellen würde: dann nämlich, wenn auch österreichische Gerichte es für möglich halten sollten, dass es eine Durchgriffshaftung österreichischer Bundesländer für Bankenschulden gegen glasklares Landesrecht und Europarecht geben könne.
Ich ersuche daher den jetzigen Nationalrat, die besten Europarechtler_innen, Verfassungsrechtler_innen, Gesellschaftsrechtler_innen, Bankenrechtler_innen und Zivilrechtler_innen zu Rate zu ziehen, um gerne die Richtigkeit und Schlüssigkeit meiner Argumente und meiner Konzeption einer Integrierten Finanzkontrolle für die Republik Österreich überprüfen zu lassen.
Eine Integrierte Finanzkontrolle auch weiterhin nicht anzuwenden würde die Aufrechterhaltung einer unnötigen Dysfunktion der öffentlichen Finanzkontrolle, ausgerechnet durch ihr Spitzenorgan, bedeuten. Und dies sogar gegen anderslautendes verfassungsrechtliches Gebot, das mit vertretbarem Auslegungsfleiß aus unserer Verfassungsordnung abzuleiten ist.
Die deutliche Sprache dieses Appells ist meinem besten Wissen und Gewissen als rechtskundiger Staatbürger geschuldet, der seine Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Wissenschaft und Forschung in Anspruch nimmt.
Ich setze damit in keiner Weise die auf sehr weite Strecken und zu sehr großen Teilen hervorragende Arbeit des Rechnungshofes herab. Bundesminister Dr. Josef Moser hat in seiner Amtszeit als Rechnungshofpräsident viele bemerkenswerte Initiativen gesetzt, die ein wertvoller Beitrag für die Funktionstüchtigkeit der öffentlichen Finanzkontrolle und die Katalysatorfunktion des Rechnungshofes für dringend notwendige Verwaltungsreformen in der Republik Österreich sind und hoffentlich auch weiterhin nachhaltige Wirkungen entfalten. Eine dieser sehr bemerkenswerten Initiativen des vormaligen Rechnungshofpräsidenten, die ob ihrer Pionier- und Vorbildfunktion zu Recht auch internationale Beachtung und Würdigung erfährt und verdient, ist die Qualitätsverbesserung der Ausbildung der Rechnungshofprüfer_innen in Form eines gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführten MBA-Studiums „Public Auditing“. Meine Innovationsvorschläge für die öffentliche Finanzkontrolle zum Wohle der Republik sind zum Teil auch dieser Initiative zu verdanken, weil mein Forscherdrang dadurch mit motiviert und verstärkt wurde.
Für die ÖVP hat der damalige Klubobmann Dr. Reinhard Lopatka in einer sowohl der Reaktionszeit als auch der Form nach sehr höflichen und respektvollen Art und Weise auf meinen Appell reagiert, in der Substanz leider ausweichend und letztendlich nicht mit der notwendigen Wirkungsorientierung.
Die SPÖ hat überhaupt nicht reagiert.
Die FPÖ hat überhaupt nicht reagiert.
Die Grünen haben reagiert, indem ich zu einem Gespräch mit einem Mitarbeiter von Mag. Werner Kogler eingeladen wurde – eine versprochene weitere Bearbeitung bzw. insbesondere Weiterleitung meiner Hinweise an die Grünen in der Stadt Wien, für die das Thema wegen der AVZ-Privatstiftung, die für alle Schulden der UniCredit Bank Austria völlig sinnloserweise und glasklar europarechtswidrig haftet, durchaus von Bedeutung wäre.
Die NEOS haben sich außer kurzen höflichen Antworten inhaltlich mit der Problematik nicht auseinandergesetzt. Im Gegenteil: im Wiener Landtag hat Mag. Beate Meinl-Reisinger trotz Urgenzen meinerseits keinerlei Interesse an der eben genannten und in mehrfacher Hinsicht völlig problematischen Haftung gezeigt. Wie die Grünen auch nicht an der Frage, ob die Stiftung von der UniCredit Bank Austria Haftungsprovisionen bezieht, was eigentlich zwingendes Recht ist.
Das Team Stronach hat mit Ausnahme eines kurz aufgeflackerten Interesses von Leo Steinbichler nicht reagiert.
Die Abgeordneten Gerhard Schmid und Rupert Doppler (Freie Partei Salzburg), die sowohl meine Bewerbung als auch meine Appelle an den Nationalrat entschieden unterstützt haben.
Der vormalige Bundesratsabgeordnete und nunmehrige Nationalratsabgeordnete Efgani Dönmez, dessen engagierter Anfrage die Dokumentation des Umstandes zu verdanken ist, dass dem Herrn Finanzminister Dr. Hans Jörg Schelling sogar noch im Herbst 2014 die Rechtstatsache egal war, dass zu dieser Zeit die Kärntner Landesholding noch für alle HETA-Schulden gehaftet hat – anstatt alle Hebel auch seinerseits in Bewegung zu setzen, um die Holding ihrer Auflösung zuzuführen.
Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss über einige Vorgänge im Justizministerium.