Stellungnahme zum Bundesgesetz, mit dem das Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft geändert wird. 71/SN-69/ME XXV. GP
An das
Österreichische Parlament, mittels E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at
Kultusamt, mittels E-Mail: kultusamt@bka.gv.at
Wien, 7. November 2014
Betreff: Stellungnahme zum Bundesgesetz, mit dem das Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft geändert wird.
beigefügt: Stellungnahme des Freidenkerbundes Österreichs (untenstehend)
Bezug nehmend auf das Schreiben des Kultusamtes vom 2. Oktober 2014, GZ. BKA- KA7.830/0001.KULTUSAMT/2014 und vom 6. Oktober 2014, GZ. BKA- KA2.000/0005.KULTUSAMT/2014 wird in der Folge die Stellungnahme der Initiative Soziales Österreich zum Bundesgesetz, mit dem das Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft geändert wird, übermittelt.
Vorab wird festgehalten, dass die vorliegende Stellungnahme im Zusammenwirken zwischen der Initiative Soziales Österreich (ISÖ), der Initiative Liberaler Muslime Österreichs (ILMÖ), dem Freidenkerbund Österreich (FDBÖ) und von Expertinnen und Experten aus Öffentlicher Verwaltung, Universität, Privatwirtschaft sowie unter Mitwirkung von Juristen, Publizisten, Wirtschaftswissenschaftlern, Naturwissenschaftlern, Politikern erstellt wurde. Die Stellungnahme des Freidenkerbundes Österreichs ist beigefügt. (untenstehend)
Präambel
Die Initiative Soziales Österreich steht in Fundamentalopposition zur Vorgehensweise im in Begutachtung stehenden Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft, für eine Reihe bestimmter islamischen Religionsgemeinschaften eine eigene gesetzliche Rechtsgrundlage zu schaffen und sie als Körperschaften öffentlichen Rechts auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzesentwurfes zu konstituieren.
Wir treten für eine völlige rechtliche Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften ein. Dieser Ansatz umfasst anerkannte Weltreligionen ebenso wie neu gegründete Gemeinschaften. Damit erübrigt sich jeder Alleinvertretungsanspruch einer einzelnen Konfession innerhalb einer Religionsgemeinschaft: keine Bevorrechtung von Katholiken unter den christlichen Religionsgemeinschaften oder keine Bevorrechtung der sunnitischen Konfession gegenüber anderen Religionsgemeinschaften.
Unabhängig von dieser Grundsatzerklärung gehen wir auf das Gesetz wie folgt ein:
- Der Vorrang der staatlichen Rechtsordnung vor der religiösen Rechtsordnung soll im Gesetz noch stärker betont werden. Angehörige islamischer Religionsgesellschaften, Kultusgemeinden oder ihrer Untergliederungen dürfen darüber hinaus auch in Zivilrechtsverhältnissen keine Sonderbehandlungen einfordern, wie einer Ungleichbehandlung mit Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften oder Nicht-Gläubigen Menschen gleich kommen (AUA- Stewardess).
- Es muss zum unverzichtbaren Bestandteil des Gesetzes werden, die Möglichkeit des Austrittes aus der rechtlich anerkannten islamischen Religionsgesellschaft sicherzustellen und die uneingeschränkte Akzeptanz einer solchen individuellen, höchstpersönlichen Entscheidung durch die betroffene Religionsgesellschaft zu gewährleisten.
- Es wäre unmissverständlich klarzustellen, dass die Finanzierung einer islamischen Religionsgesellschaft aus dem Ausland verboten ist. Wenn dies nicht erreicht werden kann, muss eine Finanzierung islamischer Religionsgesellschaften durch das Ausland an eine behördliche Genehmigungspflicht gebunden werden. Die Genehmigung darf nur bei den Voraussetzungen von Gegenseitigkeit und Reversibilität (Austrittsmöglichkeit) im Herkunftsland der Finanzierungsmittel erteilt werden. Eine überwiegende Finanzierung von islamischen Religionsgemeinschaften aus dem Ausland wäre jedenfalls zu unterbinden, um politische Einflussnahmen aus dem Ausland hintanzuhalten.
- Absatz 2 des § 12 sollte wie folgt umformuliert werden: „…. kann auf die innerreligionsgesellschaftlichen Speisegebote Rücksicht genommen werden, wenn die Funktionsfähigkeit dieser Institutionen (öffentliche Einrichtungen) dadurch nicht beeinträchtigt bzw. gefährdet wird.“
- Imame die einer Lehrtätigkeit an Schulen oder Kindergärten nachgehen, müssen die gleichen Voraussetzungen erfüllen, wie Religionslehrer anderer anerkannter Religionsgesellschaften.
Zu § 2 Abs. 2, Selbstständigkeit:
Die Bestimmung des § 2 Abs. 2, 2. Satz sollte noch klarer formuliert werden, sodass der Vorbehalt der Unterordnung unter staatliches Recht sich auch auf die Religionsausübung selbst bezieht. Rechts- und/oder sittenwidrige Handlungen und/oder Unterlassungen können niemals Gegenstand einer freien Religionsausübung sein.
Textvorschlag dazu für einen im 2. Satz des § 2 Abs. 2 abgeänderten § 2 des Entwurfes:
„Sowohl ihre Religionsausübung als auch ihre Lehren, ihre Einrichtungen und Gebräuche genießen diesen Schutz, sofern sie nicht mit gesetzlichen Regelungen in Widerspruch stehen.“
Zu § 4 Abs. 3, Voraussetzungen für den Erwerb der Rechtsstellung:
Im § 4 Abs. 3 sollte sichergestellt werden, dass sich die positive Grundeinstellung zu Gesellschaft und Staat in einem uneingeschränkten Bekenntnis und einer dieser folgenden Praxis hinsichtlich aller in der Grundrechtscharta der Europäischen Union enthaltenen Rechte und Pflichten äußert.
Textvorschlag dazu für einen 2. Satz in § 4 Abs. 3:
„Dies äußert sich in einer uneingeschränkten, erklärten und gelebten Akzeptanz aller in der Grundrechtscharta der Europäischen Union enthaltenen Grundrechte und Grundpflichten durch die Religionsgesellschaft und ihre Angehörigen. Widerstreitendes Verhalten von Angehörigen derselben ist durch die Religionsgesellschaft selbst angemessen und nachhaltig zu sanktionieren und sind staatliche Sanktionen so wirksam wie nur irgend möglich zu unterstützen.“
Zu § 6 Abs. 2, Finanzierung:
Wir sehen hier eine verfassungsrechtliche Angreifbarkeit des Entwurfes als gegeben an, da es für andere anerkannte Religionsgesellschaften in Österreich keine vergleichbaren Regelungen gibt. Dieser Anfechtbarkeit könnte durch die Forderung nach Reziprozität (Gegenseitigkeit mit dem Herkunftsland von Finanzierungsmitteln) entgegengewirkt werden. Es ist auch vorzusorgen, für den Fall, dass Umgehungen versucht werden, also z.B. wahhabitische Mission mit saudischem Geld aus Deutschland in Österreich finanziert wird. Auch die Reversibilität (Austrittsmöglichkeit) im (wahren) Herkunftsland der Finanzierungsmittel ist als Genehmigungsvoraussetzung vorzusehen.
Textvorschlag für einen geänderten § 6 Abs. 2 des Entwurfes:
„Die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder hat durch die Religionsgesellschaft, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder tunlichst im Inland zu erfolgen. Eine Finanzierung aus dem Ausland ist durch den Bundeskanzler zu genehmigen und darf von diesem nur dann genehmigt werden, wenn:
im Herkunftsland der Finanzierungsmittel die Finanzierung von Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden, wie sie den in Österreich anerkannten Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden bekenntnismäßig entsprechen, sowohl rechtlich als auch praktisch ungehindert möglich ist und alle in Österreich anerkannten Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden diesbezüglich im Herkunftsland der Finanzierungsmittel gegenüber der dort dominierenden Religionsgesellschaft oder Kultusgemeinde in keiner Weise rechtlich oder praktisch diskriminiert werden;“
im Herkunftsland der Finanzierungsmittel zum Zwecke des Schutzes inländischer Gläubiger der aus dem Ausland finanzierten Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden der ungehinderte und erschwernisfreie zivilrechtliche Zugriff auf die Finanziers im Insolvenzfalle der Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden im Inland rechtlich und praktisch gewährleistet ist.“
MitdenFinanzierungsmitteln,dieZweckeoderZieleeiner Religionsgemeinschaft unterstützt werden sollen, die im Land/in den Ländern ihrer weitesten Verbreitung oder Einflussnahme-Möglichkeiten auf die politische Ordnung für die Nicht-Gewährleistung von Reziprozität (Gegenseitigkeit) und Reversibilität (Austrittsmöglichkeit) in diesem Land/in diesen Ländern verantwortlich ist.
§ 6 Abs. 3 einfügen, Sicherstellung der Reversibilität:
Der Entwurf lässt nicht nur die Gewährleistung von Reziprozität, sondern leider auch die Sicherstellung von Reversibilität vermissen – was deshalb besonders wichtig ist, weil der Abfall vom Glauben – Apostasie – in manchen islamischen Ländern als todeswürdiges Verbrechen gilt, was völlig inakzeptabel ist. Es muss deshalb das Recht auf jederzeitigen – völlig sanktionslosen – Austritt aus einer Islamischen Glaubensgemeinschaft sichergestellt werden.
Textvorschlag zu einem solchen § 6 Abs. 3:
„Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Z. 3 dieses Gesetzes jedenfalls sicherzustellen, dass der jederzeitige, nicht begründungsbedürftige Austritt aus der Religionsgesellschaft oder Kultusgemeinde gewährleistet wird und die Religionsgesellschaft und Kultusgemeinde alles in ihrer Macht stehende unternimmt, dass ein solcher Schritt eines Mitgliedes auch von ihren übrigen Mitgliedern uneingeschränkt akzeptiert wird. Im widerstreitenden Falle hat die Religionsgesellschaft oder Kultusgemeinde die Anwendung disziplinärer Maßnahmen gegen solche Mitglieder nachzuweisen, die eine solche Entscheidung nicht anerkennen und den Austretenden diskriminieren, benachteiligen oder schädigen (wollen).“
§ 6 Abs.4 einfügen, Religionsübertritt von Jugendlichen
In das Gesetz soll aufgenommen werden, dass ein Religionsübertritt von Jugendlichen unter 14 Jahren ohne Zustimmung der Eltern nicht erfolgen darf.
„Religionsübertritte von Kindern dürfen nur nach den allgemein gesetzlichen Vorschriften (Religionsmündigkeit) erfolgen.“
§ 6 Abs.5 einfügen, Vermählung
In das Gesetz soll aufgenommen werden, dass – wie bei allen anderen Religionen auch – eine islamische Hochzeit erst nach einer gültigen Standesamtlichen Hochzeit unter Vorweis der Heiratsurkunde durch einen islamischen Geistlichen erfolgen, darf.
„Religionsübertritte von Jugendlichen dürfen nur nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zugelassen werden. Geistliche islamischer Glaubensgemeinschaften dürfen Vermählungen nach innerreligionsgemeinschaftlichen Recht nur in dem Fall zulassen, indem staatliche Heiratsurkunde vorgelegt werden kann.
Zu § 12 Abs. 2, Speisevorschriften:
Diese Bestimmung ist zu apodiktisch. Es muss – einschränkend – festgehalten werden, dass die Einhaltung von Speisevorschriften, etwa auch Fastengeboten, die Einsatzbereitschaft solcher Institutionen nicht beeinträchtigen darf, beispielsweise beim Bundesheer oder in öffentlichen Krankenanstalten.
Textvorschlag für einen geänderten 1. Satz und einen beigefügten 2. Satz in § 12 Abs. 2 des Entwurfs:
Vor „Speisegebote“ wäre die Wortfolge „nach Tunlichkeit“ einzufügen. Der 2. Satz sollte feststellen: „Dadurch darf die Funktionstüchtigkeit und Einsatzbereitschaft der in Satz 1 genannten Institutionen jedenfalls nicht beeinträchtigt werden.“
Vorschlag für einen neuen § 13, Standardisierte dienstrechtliche Verpflichtung, der vor die weiteren Paragraphen zu treten hätte:
Es ist sicher zu stellen, dass Angehörige einer islamischen Glaubensgemeinschaft keine Ungerechtfertigte Sonderbehandlung in zivilrechtlichen Verhältnissen, insb. in Arbeitsverhältnissen unter Berufung auf ihre Glaubenszugehörigkeit verlangen können. Wenn ein Unternehmen, aus Gründen eines einheitlichen Auftretens nach außen zur Wahrung einer Corporate Identity vorsieht, dass seine Bediensteten einheitliche Bekleidungsvorschriften zu beachten haben, so ist dies auch von Angehörigen islamischer Glaubensgemeinschaften uneingeschränkt zu akzeptieren (z.B. keine Sonder- Kopfbedeckung für AUA-Stewardessen; kein Anspruch auf Tragen eines Kopftuches, wenn Hotelpersonal einheitlich gekleidet sein soll; ebenso Beachtung der einheitlichen Bekleidungsvorschriften in Spitälern).
Vorschlag zu einem Gesetzestext zu einem einzufügenden § 13:
„Angehörige islamischer Glaubensgemeinschaften dürfen sich nicht unter Berufung auf ihre Glaubenszugehörigkeit zivilrechtlichen, insb. arbeits- oder dienstrechtlichen Bekleidungsvorschriften und sonstigen Vorgaben aus standardisierten Rechtsverhältnissen entziehen. Dies erstreckt sich auch auf die Einheitlichkeit des Tragens oder Nicht-Tragens Kopfbedeckungen.“
Zu § 15, Islamisch-theologische Studien:
Solange in Österreich der gesellschaftspolitische Kompromiss gilt, dass Religion konfessionsspezifisch in Schulen unterrichtet wird, muss es klare Regeln für Religiones – LehrerInnen bzw. deren Ausbildung geben. Die Lehrbefähigung für alle Konfession kann nur unter staatlicher Kontrolle auf einer der tertiären Bildungseinrichtungen (PH, Universität) erworben werden. Als Garant für eine, den österreichischen pädagogischen Normen entsprechenden Ausbildung, müssen die Curricula durch die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria analysiert und anerkannt werden.
Textvorschlag zu einem neuen § 15 Abs.1:
„Für die Ausbildung islamischer ReligionslehrerInnen ist sicher zu stellen, dass den Qualitätsanforderungen, an die Ausbildung an bereits etablierten religionspädagogischen Einrichtungen gleichwertige Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist auch für die Ausbildung islamischer ReligionslehrerInnen ein verpflichtendes Zweitfach vorzusehen.“
Zu § 16, Islamische Friedhöfe
Es muss sichergestellt werden, dass es bei der Verwaltung islamischer Friedhöfe nicht den Angehörigen einer Konfession überlassen sein darf, zu entscheiden welcher Muslim dort begraben werden darf. Es darf nicht toleriert werden, dass z.B. ein sunnitischer Muslim es ablehnt, dass auf einem islamischen Friedhof ein alevitischer Muslim oder Alevit begraben wird, wenn dieser es will.
Zu § 20, Wahlen:
Es muss sichergestellt werden, dass durch innerreligionsgesellschaftliche Wahlordnungen nicht gegen die in der Grundrechtscharta der Europäischen Union enthaltenen Grundrechte, Grundpflichten und Diskriminierungsverbote verstoßen wird.
Textvorschlag für einen zu ergänzenden Abs. 4 in § 20 des Entwurfes:
„Durch innerreligionsgesellschaftliche Wahlordnungen darf gegen die in der Grundrechtscharta der Europäischen Union enthaltenen Grundrechte, Grundpflichten und Diskriminierungsverbote nicht verstoßen werden.“
Zu § 21 des Entwurfes, Kuratorenbestellung
Der Respekt der Religionsgesellschaft bzw. Kultusgemeinde vor dem Staat sollte hier nachhaltig eingefordert werden und ist daher anders zu sanktionieren.
Textvorschlag für einen geänderten § 21 Abs. 2 des Entwurfes:
„Kommt die Kultusgemeinde oder die Religionsgesellschaft dem Auftrag nicht nach und hat weder die Kultusgemeinde noch die Religionsgesellschaft einen Antrag auf Bestellung einer Kuratorin oder eines Kurators beim zuständigen Gericht eingebracht, so ist die Kultusgemeinde oder Religionsgesellschaft durch Bescheid des Bundeskanzlers aufzulösen und von Amts wegen ein Liquidationskurator/eine Liquidationskuratorin zu bestellen.“
Zu § 22 des Entwurfes, Durchsetzung von behördlichen Entscheidungen:
Auf die ultima ratio der Möglichkeit der Aufhebung der Rechtspersönlichkeit der Kultusgemeinde oder Religionsgesellschaft sollte auch hier noch einmal hingewiesen werden.
Textvorschlag zu einem zweiten Satz des § 22:
„Insbesondere ist von der Möglichkeit des § 5 Abs. 2 dieses Gesetzes Gebrauch zu machen, wenn die genannten Sanktionsmittel ein rechtstreues Verhalten der Kultusgemeinde oder Religionsgesellschaft nicht herzustellen vermögen.“
Zu § 23 des Entwurfes:
Das uneingeschränkte Bestandsprivileg der genannten Religionsgesellschaften sollte in der Form nicht anerkannt werden.
Textvorschlag für einen geänderten § 23:
„Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, BGBl. Nr. 466/1988 und die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich BGBl. II Nr. 133/2013, sowie deren Teile mit eigener Rechtspersönlichkeit bleiben zunächst in ihrem Bestande unberührt. Sie haben binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes einen Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft einzubringen, widrigenfalls von Amts wegen die Aufhebung ihrer Rechtspersönlichkeit einzuleiten und durchzuführen ist.“
Reinhard Fellner e.h. Präsident
Stellungnahme des FDBÖ zum Entwurf des neuen Islam-Gesetzes
Kurzfassung: vom 6.11.2014
Wir treten für ein Religions- und Weltanschauungsgesetz (RWG) ein, das für alle gleich gilt.
Wir treten dafür ein, nicht nur neue Vereine auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, sondern insbesondere auch die IGGiÖ.
Wir treten für einen verpflichtenden Religions- und Ethikunterricht (REU) ein, gehalten von weltlichen Personen, der nicht eine Religion indoktriniert (wodurch Kinder separiert werden), sondern Religionen und Weltanschauungen näherbringt, wodurch man allen Kindern gemeinsam Werte vermitteln kann.
Langfassung:
Der Freidenkerbund vertritt den humanistischen Standpunkt, dass Weltanschauungen und Religionen grundsätzlich gleich zu behandeln sind. Daher ist jedem Religionsgesetz Skepsis entgegenzubringen, das Ausnahmen und Privilegien festlegt. Wir treten daher für ein Religions- und Weltanschauungsgesetz (RWG) ein, das für alle gleich gilt.
Zu Recht werden die muslimischen Mitbürger eine Diskriminierung in diesem Gesetz sehen, in dem einige Punkte vorgesehen sind, die nur für den Islam gelten. Ein sauberer Ausweg, der allen modernen staatsrechtlichen Anforderungen genügt, liegt nach Ansicht des Freidenkerbundes nur in einem RWG.
Selbstverständlich ist die Priorität der Staatsgesetze vor den religiösen Gesetzen durchzusetzen, das ist aber nicht Aufgabe der Legislative, sondern der Exekutive. Wenn solche Befürchtungen bestehen, ist das Grundgesetz in Gefahr und damit Handlungsbedarf für Untersuchungen, ob der Verdacht eine Grundlage hat. Sollte sich herausstellen, dass religiöse Gesetze irgendwo in Österreich die Staatsgesetze aushebeln, sollten Regulierungsmechanismen in Kraft treten, die die Gesetzeshoheit wiederherstellen. Ein Staat im Staat kann nicht geduldet werden.
Das Islamgesetz bewegt sich auf dem Boden des Prinzips der sogenannten anerkannten Religionsgemeinschaften. Dieses Konzept ist in einer pluralistischen und säkularen Gesellschaft hoffnungslos überholt, weil nicht die Religionen schützenswerte Elemente der Gemeinschaft sind, sondern der Staat und seine demokratische Grundordnung, die von Religionen mit Absolutheitsanspruch auf Wahrheit und Macht gefährdet werden. Religionen sind nicht gefährdet (außer durch die Vernunft), sehr wohl aber die demokratische freiheitliche Grundordnung mit dem säkularen Rechtsstaat, wie man überall auf der Welt sehen kann. Der richtige Weg wäre es, diverse Privilegien dieser Religionsgemeinschaften abzuschaffen und nicht durch immer neue Anerkennungen eine Verdichtung des Privilegien- Dschungels zu bewirken.
Das bedeutet u.a. konkret: Abschaffung des Religionsunterrichtes in der Schule und Auflösung der konfessionsgebundenen, theologischen Fakultäten. Mittelalterlicher Aberglaube hat an öffentlichen Bildungsstätten des 21. Jahrhunderts keinen Platz. Auch dieser Punkt dient der Beseitigung des Vorwurfs der Diskriminierung, da auch hier wieder alle gleichgestellt sind. Der Freidenkerbund tritt für einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler ein.
Argumente für die Abschaffung des Religionsunterrichtes:
Rein organisatorisch ist es in Zukunft ohnehin kaum möglich, für alle anerkannten Religionsgemeinschaften einen Religionsunterricht anzubieten. Da kommt es automatisch zu Diskriminierungen. Die Schule ist auch nicht der Platz, um Kinder religiös zu erziehen, da die Schule eine staatliche Einrichtung ist und es hier um Wissens- und Wertevermittlung geht, nicht aber um religiöse Indoktrinierung.
Die Werte, die es zu vermitteln gilt sind solche, die zu einem guten Staatsbürger und wertvollen Mitglied der Gesellschaft führen. Dazu ist besonders kritisches Denken und Wissen notwendig, nicht aber religiöses Absolutheitsdenken, das automatisch totalitäres Denken fördert, denn eine Religion behauptet ja gerade, im Besitz der absoluten und unverrückbaren Wahrheit zu sein. Der pluralistische Staat muss hier seine Interessen wahren, wenn dies nicht geschieht, gibt es Möglichkeiten für Missbrauch des Religionsunterrichtes für andere als die Interessen des Staates, wie derzeit zu befürchten ist.
Es ist überhaupt unzulässig, Kindern eine Punze aufzudrücken. Es gibt keine katholischen, evangelischen, schiitischen, sunnitischen oder orthodoxen Kinder, genauso wenig wie es sozialistische, konservative, liberale oder kommunistische Kinder gibt. Kinder im Religionsunterricht nach den religiösen Überzeugungen ihrer Eltern zu differenzieren ist ebenso wenig sinnvoll wie eine analoge Aufteilung der Kinder im Fach politische Bildung.
Es wird häufig argumentiert, dass der Religionsunterricht ethische Werte vermittelt. Genau jene Werte, die für unsere Gesellschaft von essentieller Bedeutung sind, wurden gegen den erbitterten Widerstand der Religion erkämpft. Als Beispiel seien hier die Menschenrechte genannt. Der Heilige Stuhl hat die europäische Deklaration der Menschenrechte bis heute nicht ratifiziert. Ähnlich verhält es sich im Islam. In der Kairoer Erklärung der Menschenrechte werden diese nur insofern anerkannt, als diese nicht der Scharia widersprechen. Vertreter dieser Religionsgemeinschaften mit der Wertevermittlung zu beauftragen erscheint daher geradezu als Schildbürgerstreich. Dazu kommt, dass der muslimische Islamwissenschaftler M. Korchide in einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 festgestellt hat, dass fast jeder fünfte Islamlehrer der Überzeugung ist, dass der Islam mit der Demokratie nicht vereinbar ist. Das bedeutet im Klartext, dass mit dem Geld der Steuerzahler Werte vermittelt werden, die die Verfassung untergraben. Dies bringt natürlich nicht unmittelbar Terroristen hervor, bereitet aber den ideologischen Boden auf, um junge Leute oder labile Menschen, besonders aber Leute aus einem abgeschlossenen Biotop, für terroristische Aktivitäten zu gewinnen.
Es ist psychologisch bedenklich, jungen Menschen einzureden, dass sie mit der Kollektivschuld der Erbsünde behaftet sind. Ebenso erscheint es bedenklich für das Zusammenleben, wenn vermittelt wird, dass alle Mitschüler, die etwas anderes glauben, oder gar konfessionsfrei sind, mit ewigen Höllenstrafen rechnen müssen. Dieser „Glaubensinhalt“ steht wortwörtlich in einem österreichischen Religionsbuch für Muslime.
Religionslehrer sind nicht der Vernunft oder der Wissenschaft verpflichtet, sondern ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft. Das bedeutet, dass es ihre Aufgabe ist, längst überholte Irrationalismen als Wahrheit zu verkaufen. Nachdem die Aufklärung auch die Religionsfreiheit durchgesetzt hat, sind wir nicht für die Abschaffung der Religionen, nicht einmal für die Bekämpfung dieser, sondern nur für die „Privatisierung“ der Religionen und für die Gleichbehandlung mit anderen Weltanschauungen wie dem Humanismus.
Kinder haben ein Recht auf die Wahrheit und die Vermittlung eines Weltbildes, das dem gegenwärtigen Forschungsstand entspricht. Es ist daher unverantwortlich, ihnen längst widerlegte Märchen und Legenden als Wahrheiten zu verkaufen. Heute einem jungen Menschen die sogenannten Glaubenswahrheiten zu vermitteln, ist ähnlich zu beurteilen, wie wenn im Geographieunterricht die Scheibengestalt der Erde als unumstößliche Wahrheit behauptet wird.
Dem Kind ist am besten geholfen, wenn es gemeinsam mit allen anderen Kindern über Religionen und Weltanschauungen lernt und nicht Religion indoktriniert bekommt, was es kritiklos hinnehmen muss. Dies geschieht am besten in einem Ethikunterricht, der nicht von religiösen Amtsträgern oder früheren Religionslehrern gehalten wird.
Die Kinder werden nicht getrennt, sondern lernen gemeinsam jene Werte kennen, die für das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft eines demokratischen Rechtsstaates entscheidend sind. Sie lernen dabei, dass sie alle Bürger dieses Staates mit den gleichen Rechten und Pflichten sind. Das ist im Interesse des Staatsganzen. Die Kinder bekommen ein ethisches Weltbild vermittelt, das dem Kenntnisstand des 21. Jahrhunderts entspricht und nicht eine bronzezeitliche Wüstenreligion, die unter den abenteuerlichsten intellektuellen Verrenkungen mühsam adaptiert wird.
Was sind die Gegenargumente? Gerne wird ins Treffen geführt, dass der Staat mit dem Religionsunterricht Kontrolle ausübt. Abgesehen davon, dass dies im Falle des Islam bisher nicht sehr erfolgreich war, müssen problematische religiöse Organisationen ohnehin vom Staat überwacht werden. Genau dieses Kontroll-Argument zeigt aber, dass die Religionsgemeinschaften Werte vertreten, die mit denen des demokratischen Rechtsstaates unvereinbar sind und daher für die Wertevermittlung nicht in Betracht kommen. Bevor man also den Religionsunterricht auf Basis der staatlichen Werte kontrolliert, ist es besser, die staatlichen Werte direkt in einem Ethikunterricht zu vermitteln, und nicht durch jene religiösen Gruppen, die totalitäre und menschenverachtende Ideologien verbreiten. Die Versuche der IGGiÖ mit diesem Argument Geld vom Staat zu lukrieren, stellen im Grunde genommen eine Schutzgelderpressung dar. Die Botschaft lautet: Entweder ihr bezahlt unsere Lehrer, oder die Jugendlichen werden radikal. Der Österreichische Staat sollte sich nicht erpressen lassen, sondern eine wehrhafte Demokratie bilden und die Werte der Aufklärung entschlossen verteidigen.
Ebenso ist es nicht überzeugend, dass durch einen staatlich kontrollierten Religionsunterricht eine Lightversion des Islam etabliert werden kann. Wie die Erfahrung zeigt, werden Jugendliche durch externe Prediger ohnehin radikalisiert. Der richtige Weg besteht daher darin, einen verpflichteten Ethikunterricht für alle Schüler einzuführen und Organisationen, die rechtsextremes und fundamentalistisches Gedankengut verbreiten, analog zum Verbotsgesetz aufzulösen.
Wir begrüßen die Untersuchung jeder neuen islamischen Gruppierung auf Rechtsstaatlichkeit, verlangen aber selbstverständlich auch die genaue Prüfung der IGGiÖ, die als derzeitiger Ansprechpartner der Regierung einen Blankoscheck erhielt, deren vielfältige personelle Verflechtungen mit ausländischen Gruppierungen (wie der fundamentalistischen Muslimbrüder) aber Anlass zur Sorge gibt. Diese IGGiÖ repräsentiert auch nach Meinung von Fachleuten in keiner Weise die Mehrheit der in Österreich lebenden Muslime. Diese Regelung stellt vielmehr ein fatales Signal dar und bewirkt eine Diskriminierung all jener Muslime, die sich zum demokratischen Rechtsstaat und zu den Menschenrechten bekennen. Es ist sinnvoll, dass ein zentraler Ansprechpartner für den Islam existiert, eine derartige Organisation muss aber auf dem Boden der Demokratie und der Menschenrechte stehen und muss frei von inneren Beeinflussungen auf demokratischem Wege entstehen. Gerade die IGGiÖ zum Ansprechpartner zu wählen ist genauso sinnvoll, wie wenn man als Ansprechpartner der Christen das Opus Dei ernennt. Sollten Wahlen in der islamischen Gemeinschaft anstehen, so müssen diese nach demokratischen Normen durchgeführt werden: Geheim und unter staatlicher Kontrolle.
Es ist besonders darauf zu achten, dass alle muslimischen Gruppen eine gleiche Ausgangslage vorfinden. Der Staat hat hier eine klare Aufgabe:
1. Gleichbehandlung durch ein Weltanschauungsgesetz und nicht den einseitigen Schutz von Uralt-Ideologien, die mit Unsummen vor den natürlichen Folgen geistiger Evolution bewahrt werden.
2. Es darf nicht sein, dass Kindern eingetrichtert wird, dass man „Nicht-Gläubige schlachten darf“. Es muss gewährleistet sein, dass die Kinder mittels verpflichtenden Ethikunterrichts lernen, die Würde des anderen als selbstverständlich ansehen.
Dr. Gerhard Engelmayer
Vorsitzender Freidenkerbund Österreich Initiator der Aktion „Humanismus-jetzt“!